Montag, 13. August 2018

[Rezension] Du wolltest es doch von Louise O´Neill

Hardcover
368 Seiten
Ab 16 Jahren
ISBN: 978-3-551-58386-4
Erschienen: 25.07.2018

Klappentext:
Emma ist hübsch und beliebt, die Jungs reißen sich um sie. Und sie genießt es, versucht, immer im Mittelpunkt zu stehen: Das Mädchen, das jeden herumkriegt. Bis sie nach einer Party zerschlagen und mit zerrissenem Kleid vor ihrem Haus aufwacht. Klar, sie ist mit Paul ins Schlafzimmer gegangen. Hat Pillen eingeworfen. Die anderen Jungs kamen hinterher. Aber dann? Sie erinnert sich nicht, aber die gesamte Schule weiß es. Sie haben die Fotos gesehen. Ist Emma wirklich selber schuld? Was hat sie erwartet – Emma, die Schlampe in dem ultrakurzen Kleid?



Rezension:

Als ich beim Durchstöbern der Vorschau des Carlsen Verlags auf DU WOLLTEST ES DOCH gestoßen bin, konnte zuerst das hübsche Cover meine Neugier wecken. Dann las ich mir den Klappentext durch und mir war sofort klar: Dieses Buch wird keine leichte Kost sein. Ich lese allerdings sehr gerne Bücher mit ernsten Themen und da ich das Thema Vergewaltigung für sehr wichtig halte, stand für mich sofort fest, dass ich DU WOLLTEST ES DOCH unbedingt lesen möchte.

Du bist so hübsch!“ Wie sehr es Emma liebt diesen Satz zu hören. Die 18-järhige weiß ganz genau, wie attraktiv sie ist und genießt es auch in vollen Zügen so schön und beliebt zu sein und stets im Mittelpunkt zu stehen. Dass sie sich gerne mit Jungs umgibt und diese mit ihren knappen, aufreizenden Klamotten provoziert, ist bekannt. Eine Party soll ihr Leben auf einen Schlag verändern. Emma trinkt zu viel, wirft Pillen ein, flirtet mit den Jungs. Dann verschwindet sie mit Paul im Schlafzimmer. Und dann? Was ist dann passiert? Am nächsten Tag, nach der Party, wird Emma von ihren Eltern vor ihrem Haus gefunden, bewusstlos, mit zerrissenem Kleid und einem schlimmen Sonnenbrand. Was im Schlafzimmer und danach geschehen ist, daran kann sich Emma nicht mehr erinnern. Filmriss. Ihre Mitschüler aber wissen es. Sie haben die Fotos gesehen, die im Internet aufgetaucht sind. Fotos, die zeigen, was während der Party im Schlafzimmer und danach geschehen ist. Emma ist entsetzt. Ist das wirklich sie auf den Bildern? Zweifeln tut niemand daran. Emma, die jeden rumkriegt und stets bereit ist, für die Jungs die Beine breit zu machen. Sie wollte es ja nicht anders, das Mädchen in dem kurzen Kleid. Alle sehen diese schrecklichen Fotos und nahezu jeder scheint sich sicher zu sein, dass Emma schuld ist.

Ich warne hier lieber mal vor: Es kann sein, dass diese Rezi nicht ganz spoilerfrei ist. Mir fällt es richtig schwer eine Rezension zu dem Buch schreiben, ohne genauer auf den Inhalt einzugehen. Denn nur so kann ich deutlich machen, wie furchtbar und gleichzeitig gut ich dieses Buch fand.

Mein Einstieg in die Handlung verlief sehr leicht, was eigentlich erstaunlich ist, da mir der Schreibstil anfangs gar nicht so zusagte. Mir kam er ziemlich chaotisch vor, da die Autorin viele Sätze in Klammern gesetzt hat und auch öfters in der Zeit gesprungen ist. Dennoch konnte mich das Buch sofort packen.

Wir lernen gleich zu Beginn die Protagonistin Emma kennen, aus deren Sicht wir alles in der Ich-Perspektive erfahren. Emma, das kann man leider nicht anders sagen, ist überhaupt kein Sympathieträger. Sie ist eingebildet, egoistisch, gönnt ihren Freundinnen nichts und möchte stets im Mittelpunkt aller stehen. Da lässt sich wirklich nichts beschönigen, Emma ist ein ziemlich unsympathischer Charakter und ich konnte zuerst keine Verbindung zu ihr aufbauen. Normalerweise stört mich so etwas in Büchern immer sehr, wenn ich die Protagonisten nicht leiden kann. Ein Pluspunkt war es hier natürlich auch nicht, mich hat es aber dennoch nicht davon abgehalten weiterzulesen. Dafür war meine Neugier auf die weiteren Geschehnisse einfach zu groß.

Emma macht zudem eine sehr große Verwandlung in dem Buch durch. Das Buch ist in zwei Abschnitte geteilt. Der erste Teil ereignet sich vor der schrecklichen Nacht, im zweiten Teil erfahren wir, wie es Emma ein Jahr danach ergeht. In diesem lernen wir eine Emma kennen, die sich sehr verändert hat.

Was auf der Feier geschehen ist, daran hat Emma keinerlei Erinnerung mehr. Aber es gibt Bilder, die zeigen, was sich zugetragen hat. Schlimme Bilder, erniedrigende Bilder, Bilder, die einen, ohne sie zu sehen, nur von den Beschreibungen her, richtig zornig machen und einen schockieren.

Noch schockierender ist allerdings, wie die Gesellschaft auf die Bilder reagiert. Anstatt Mitleid mit Emma zu haben und das Offensichtliche zu sehen, nämlich, dass Emma Opfer einer Vergewaltigung wurde, ziehen die Leute über Emma her, bezeichnen sie mit den übelsten Schimpfwörtern. Bissige, gemeine Kommentare werden zu den Bildern gepostet, diese Kommentare werden gelikt, wirklich niemand scheint zu Emma zu stehen.
Auf den Straßen wird Emma schief angeguckt, es wird hinter ihrem Rücken getuschelt, sie wird gemieden, niemand möchte in ihrer Nähe sein oder Kontakt zu ihr haben.

Emma versucht zuerst noch, alles herunterzuspielen. Dies gelingt ihr aber nur sehr kurz. Sie beginnt sich vor allen zurückzuziehen, geht nicht mehr zu Schule, ist eine Gefangene ihres eigen Gedankenkarussells.
Mich hat es so entsetzt, wie mit Emma umgegangen wird und das einfach niemand erkennt, dass sie das Opfer ist und das alles nicht gewollt hat.
Am schlimmsten fand das Verhalten der Eltern. Dieses hat mich richtig zornig gemacht. Der Vater kann seiner Tochter nicht mehr in die Augen sehen und verbringt immer Stunden auf der Arbeit. Auch die Mutter lässt Emma deutlich spüren, dass sie ihr eigenes Kind nicht mehr erträgt und ihr die Schuld dafür gibt, wie die Familie nun dasteht.
Nur Emmas Bruder steht zu ihr und versucht ihr zu helfen. Emma jedoch lehnt seine Hilfsangebote ab, kann sie einfach nicht annehmen, weil sie sich zu schuldig fühlt. Nur trägt sie gar keine Schuld, das ist dem Leser von Anfang an klar.

Auch nach einem Jahr, nach dieser furchtbaren Nacht, kreisen Emmas Gedanken ununterbrochen um den Vorfall.
Gespreizte Beine. Entblößtes Fleisch.
Diese Sätze lassen Emma nicht los, sind mittlerweile fest in ihrem Kopf verankert. Da wir alles aus Emmas Sicht erfahren, bekommen auch wir diese Sätze immer wieder zu lesen. Dies mag nervig klingen, ist es aber nicht. Es verdeutlicht nur, wie sehr Emma leidet und wie fertig sie das alles macht.

Richtig frustriert hat mich das Ende. Es ist leider die Realität, zumindest in den meisten Vergewaltigungsfällen. Wie das Buch endet lässt einen wütend und fassungslos zurück. Louise O´Neill beschönigt in ihrem Roman wirklich nichts. Absolut authentisch und ehrlich beschreibt sie Emmas Fall, welcher die grausame Wahrheit erzählt.

Das Buch ist wirklich keine leichte Kost und ich würde es auch keinem empfehlen, der nur schwer mit dem Thema Vergewaltigung umgehen kann. Wer aber denkt, dass er damit klarkommt, der sollte das Buch unbedingt lesen. DU WOLLTEST ES DOCH ist in meinen Augen ein sehr wichtiger Roman, den man gelesen haben sollte. Mut machen tut einem die Geschichte nicht, aber sie zeigt auf, wie wehrlos Vergewaltigungsopfer leider meistens sind und das dagegen ganz dringend etwas unternommen werden sollte.

Fazit: Schockierend, authentisch, erschütternd. DU WOLLTEST ES DOCH ist ein Roman, der einen aufwühlt, einen nachdenklich stimmt, der einen frustriert und wütend zurücklässt und einem noch sehr lange nach dem Lesen beschäftigt. Das Buch ist wirklich alles andere als leicht verdaulich, dennoch sollte man es meiner Meinung nach gelesen haben. Ich kann DU WOLLTEST ES DOCH absolut empfehlen und vergebe volle 5 von 5 Sternen!





Vielen lieben Dank an den Carlsen Verlag, der mir dieses schöne Buch als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat!
 

10 Kommentare:

  1. Hallo Corni,
    danke für die Vorstellung. Ich halte solche Bücher auch für sehr wichtig, allerdings muss man dafür psychisch stabil sein; es ist definitiv nichts für jedem zu jedem Zeitpunkt.
    Schon das, was du zu den Geschehnissen schreibst, finde ich beschämend, glaube aber, leider, auch, dass es authentisch ist. Nichts, was Emma trägt oder tut kann eine Vergewaltigung provozieren, Schuld ist immer der Täter, der meint, seine Machtposition ausnutzen zu können.
    LG,
    Daniela

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    1. Hallo liebe Daniela,

      das stimmt, man sollte auf jeden Fall für solche Bücher psychisch stabil sein, da gebe ich dir recht. Das Buch ist auch echt nicht ohne, die Altersangabe vom Verlag mit 16 Jahren ist absolut gerechtfertigt.
      Die Geschichte, die hier erzählt wird, ist sehr authentisch und leider echt schockierend. Ich kann das Buch wirklich empfehlen, ich halte "Du wolltest es doch" für einen sehr wichtigen Roman.

      Liebe Grüße
      Corinna

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  2. Hey Corinna,

    vielen Dank für deine mitreißende Rezension. Ich habe das Buch für diesen Monat auf meiner Leseliste und hab leider schon einige kritische Stimmen gehört. Umso mehr begeistert mich nun deine Rezension. Ich hoffe, dass es mir auch so gut gefällt bzw. mich emotional mitnimmt.

    Liebe Grüße
    Charleen

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    1. Hey Charleen,

      ja, ich habe auch gesehen, dass die Meinungen zu dem Buch ziemlich auseinander gehen. Mir hat es echt gut gefallen, allerdings ist es wirklich keine leichte Kost. Das Ende hätte ich mir persönlich schon anders gewünscht, allerdings passt es perfekt zur Geschichte, da diese schonungslos ehrlich ist und die traurige Realität erzählt.
      Dann bin ich ja mal gespannt, wie dir das Buch gefallen wird und ob es dich genauso begeistern kann wie mich. :)

      Liebe Grüße
      Corinna

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  3. Hallo liebe Corinna,

    ich finde solche Bücher sehr wichtig in unserer Gesellschaft, allerdings sind sie leider so gar nichts für mich. Ich bin dafür einfach zu sensibel und würde mich nur total reinstressen. :P Aber dennoch finde ich es sehr gut, dass sich Autoren an solch doch sehr schwere Kost herantrauen und darüber schreiben.

    Liebe Grüße, Toni

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    1. Hallo liebe Toni,

      das kann ich sehr gut verstehen, solche Bücher sind ja auch wirklich nicht ohne. Ich bin eigentlich auch sehr sensibel, traue mich aber dennoch immer wieder an Bücher mit ernsten Themen heran. Irgendwie gelingt es mir, mich etwas davon abzugrenzen, wobei mich manche Geschichten dann schon ziemlich mitnehmen. Ich finde es auch gut, dass es Autoren gibt, die genug Mut haben, über so schwere und wichtige Dinge zu schreiben. Nicht allen gelingt dann auch die Umsetzung - hier jedenfalls finde ich sie sehr gelungen, das Buch ist wirklich lesenswert.

      Liebe Grüße
      Corinna

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  4. Huhu liebe Corinna,

    ich habe das Buch schon auf der Messe vorgestellt bekommen und wusste damals schon, dass es sehr unter die Haut gehen muss.

    Auch wenn Emma sich immer sehr aufreizend angezogen hat, ist dies definitiv keine Einladung sie zu verurteilen und schon gar nicht sie zu misshandeln und zu vergewaltigen. Es ist auch wirklich heftig wie unsensibel ihre Umwelt und vor allem auch ihre Eltern mit dem schlimmen Ereignis umgehen.

    Wirklich ein interessantes und sehr aufrüttelndes Buch.

    Liebe Grüße,
    Ally

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    1. Hey liebe Ally,

      das Buch geht wirklich sehr unter die Haut, das stimmt. Ich würde es auch keinem empfehlen, der sehr sensibel ist und nur schwer mit dem Thema Vergewaltigung klarkommt. Das Buch wird absolut authentisch erzähl; die Autorin beschönigt nichts.
      Mich hat es richtig geschockt, wie die Eltern und die Umwelt mit Emmas Fall umgehen. Wirklich schlimm, aber leider in den meisten die Fällen die Realität.
      Das Buch ist in meinen Augen sehr wichtig und wer sich stark genug dafür fühlt, sollte es unbedingt lesen.

      Liebe Grüße
      Corinna

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  5. Hallo Corinna,

    als mir das Buch vorgestellt wurde, reizte mich die Thematik sehr und bin sehr gespannt darauf, wie mir die Geschichte gefallen wird. Den Beginn deiner Rezi habe ich bis zu deiner Spoilerwarnung gelesen und danach dein Fazit. Danke dafür!

    Natürlich finde ich es als Mann schön anzusehen, wenn sich eine Frau hübsch macht und vielleicht etwas mehr zeigt, als nötig wäre (wobei manchmal mehr besser ist, da es die Phantasie anregt ;) ). Allerdings verstehe ich dieses nicht als EINLADUNG mir etwas zu nehmen! Dazu gehören immer Zwei - die einverstanden - sein müssen. Ich bin verdammt neugierig, wie die Autorin mit dieser Thematik umgeht und möchte es auf jeden Fall im September lesen.

    Liebe Grüße,
    Uwe

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    1. Hallo Uwe,

      gern geschehen. :) Ich bin mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher, ob ich wirklich groß gespoilert habe, aber da ich doch recht viel vom Inhalt verraten habe, wollte ich mal lieber sicher gehen, daher die Vorwarnung. :D
      Ich halte die Thematik des Buches für sehr wichtig und finde, dass die Autorin diese klasse umgesetzt hat. Die Meinungen zu dem Buch gehen ja ziemlich weit auseinander, mir jedenfalls hat das Buch richtig gut gefallen.
      Dann bin ich ja mal gespannt, wie du "Du wolltest es doch" finden wirst. Da bin ich wirklich schon sehr auf deine Meinung gespannt. :)

      Viele liebe Grüße
      Corinna

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