Klappentext:
Quelle: S. Fischer Verlage
Rezension:
Als ich beim Durchstöbern der neuen Vorschau des Fischer Verlags auf „The Boy Who Steals Houses“ stieß, konnte der außergewöhnliche Titel meine Neugierde sofort wecken. Da mich auch das Cover und der Klappentext direkt ansprachen, stand für mich sehr schnell fest, dass ich das Buch lesen möchte.
Der 15-jährige Sammy Lou und sein älterer autistischer Bruder Avery haben es nicht leicht. Ihre Mutter hat sie vor vielen Jahren verlassen, ihr Vater ist gewalttätig und völlig überfordert mit Averys Verhalten und seit die beiden von ihrer Tante ausgerissen sind, leben sie auf der Straße und sind auf sich alleine gestellt. Um irgendwie über die Runden zu kommen, steigt Sam regelmäßig in verwaiste Häuser ein, klaut Essen und Wertgegenstände und lebt dort so lange wie möglich. Bisher ist immer alles glatt gelaufen – bis zu dem Tag, an dem er in das Haus der De Laineys einbricht. Zu seinem Schrecken kommt die Familie früher als erwartet zurück, doch obwohl er erwischt wird, ruft niemand die Polizei oder schmeißt ihn raus. Im Gegenteil, er wird sogar zum Essen eingeladen. Man hält ihn für den Freund eines der Geschwister und auch wenn Sam weiß, dass es falsch ist, stellt er diesen Irrtum nicht richtig. Die De Laineys sind all das, wonach sich Sam schon so lange sehnt: Eine liebevolle Familie, in der Wärme und Geborgenheit herrschen und alle zusammenhalten. Als Sam sich in die gleichaltrige Moxie verliebt (und ihre himmlichen Waffeln), fällt es ihm nur noch schwerer, die achtköpfige Familie wieder zu verlassen. Seiner dunklen Vergangenheit kann er jedoch nicht entkommen.
Kennt ihr das, ihr schlagt ein Buch auf und möchtet eigentlich nur mal kurz reinlesen, seid dann aber von Beginn an so gebannt und fasziniert von der Story, dass aus den geplanten wenigen Seiten auf einmal immer mehr und letztendlich sehr viele werden? Mir erging es so bei „The Boy Who Steals Houses“. Ich hatte mir ja schon gedacht, dass mir das Buch gefallen wird, aber dass es mich so dermaßen fesseln und beeindrucken würde, hätte ich dann doch nicht erwartet. Ich bin dank des angenehm flüssigen Schreibstils, der mitreißenden Handlung und den kurzen Kapiteln nur so durch die Seiten geflogen und habe die Geschichte innerhalb kurzer Zeit mit großer Begeisterung verschlungen.
Erzählt wird alles aus der Sicht des 15-jährigen Sam in der dritten Person. Mir war unser Romanheld auf Anhieb sympathisch. Dass er ein Dieb ist, sich regelmäßig Zutritt zu fremden verlassenden Häusern verschafft und auch vor Gewalt nicht zurückschreckt, lässt ihn natürlich auf den ersten Blick in keinem guten Licht dastehen, aber da noch deutlich wird, warum er all das tut (und einen Teil kann man ja auch bereits dem Klappentext entnehmen), verzeiht man Sam seine Fehler und muss ihn einfach gernhaben. Ich jedenfalls habe ihn sehr schnell in mein Herz geschlossen. Sam ist ein total lieber und einfühlsamer Kerl und bemerkenswert tapfer und stark, sein älterer autistischer Bruder Avery ist die wichtigste Person in seinem Leben und er würde alles tun, um ihn zu beschützen. Dass Sam erst fünfzehn Jahre alt ist und eigentlich selbst jemanden bräuchte, der ihm hilft und auf ihn aufpasst, verdrängt er gekonnt. Ich habe Sam zutiefst für seine Stärke bewundert und obwohl die Handlung nicht in der Ich-Perspektive geschildert wird, habe ich mich in unserem Protagonisten unglaublich gut ihn hineinversetzen können und all das empfunden, was er empfunden hat: Wut, Verzweiflung, Hilfslosigkeit und Angst, aber auch Hoffnung, Liebe und Freude. Dieses Buch steckt wahrlich voller Emotionen und mit einen auf die reinste Gefühlsachterbahnfahrt mit.
In meinen Augen hat C. G. Drews die schmale Gratwanderung zwischen Ernst und Humor mit Bravour gemeistert. Das Buch behandelt viele wichtige und größtenteils ziemlich schwierige Themen wie Autismus, Kindesmisshandlung, Vernachlässigung und Verlust, der Wunsch nach einem liebevollen Zuhause und nach Zugehörigkeit und Geborgenheit. Die Story ist definitiv keine leichte Kost und stellenweise auch brutal. Sam und sein großer Bruder Avery haben in ihrer Vergangenheit eine Menge Schlimmes durchmachen müssen, wie wir dank zahlreicher Rückblenden erfahren, und auch in der Gegenwart haben es die beiden überhaupt nicht leicht. Eine Triggerwarnung hätte ich daher nicht schlecht gefunden.
Der Unterschied zwischen dem Leben der De Laineys und dem von Sam und Avery könnte unterschiedlicher nicht sein. Während die beiden Brüder kaum Liebe und eine Menge Gewalt erfahren haben und ständig Hunger leiden müssen, herrscht bei den De Laineys ganz viel Wärme, Sicherheit und Trubel und Essen gibt es auch genug.
Neben der Lovestory hat mich auch die Darstellungsweise von Sams autistischem großen Bruder Avery überzeugen können. Da ich keine Erfahrungen mit Autismus habe, kann ich nun natürlich nicht sicher sagen, ob die Veranschaulichung wirklich authentisch ist, allerdings gehe ich sehr davon aus, dass dem so ist. Auf mich jedenfalls hat alles sehr realistisch gewirkt.
Das Ende hat mich ebenfalls vollkommen zufriedenstellen können. Es ist kein klassisches Happy End und recht offen, es lässt einen aber voller Hoffnung zurück und passt in meinen Augen perfekt zur Geschichte. Also für mich hat hier einfach alles gestimmt. Dies war mein erstes Werk von der US-amerikanischen Autorin C. G. Drews und es wird bestimmt nicht mein letztes gewesen sein.
Fazit: Ein eindrucksvoller Roman, der mitreißt, berührt und aufwühlt und einen einfach nicht mehr loslässt!
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