Sonntag, 6. März 2022

[Rezension] Die gigantischen Dinge des Lebens von Susin Nielsen

Hardcover
 
Übersetzt von Anja Herre
Ab 14 Jahren
283 Seiten
ISBN: 978-3-8251-5304-5
Erschienen: 16.02.2022

Klappentext:

Wilburs Lebensphilosophie lautet: Unsichtbar sein. Kopf runter. Mund zu. Einfach schauen, dass man den nächsten Schultag überlebt. Doch dann trifft Charlie ein, Wilburs Austauschschüler. Und entpuppt sich als Austauschschülerin. Und was für eine ... Wilbur wird von gigantischen Gefühlen ergriffen. Aber wie wird man zu einem begehrten, coolen Typ, wenn man gerade eben noch völlig unsichtbar war?

Quelle: Urachhaus Verlag

Rezension: 

Seit meinem ersten Buch von Susin Nielsen gehört die kanadische Schriftstellerin für mich zu den Autor*innen, von denen ich mir blind jeden neuen Roman zulege. Mit „Adresse unbekannt“ und „Optimisten sterben früher“ hat sie mich einfach so sehr begeistern können – ihre Werke sind inzwischen wirklich absolute Must-Haves für mich geworden. So musste ich natürlich auch „Die gigantischen Dinge des Lebens“ unbedingt unbedingt bei mir einziehen lassen.

Der 14-jährige Wilbur ist sich sicher; dass er ein absoluter Versager ist. Er ist uncool, schüchtern und sieht nicht gut aus, im Schulorchester spielt er die Triangel, gemeinsam mit seinem besten Freund – der über 80 Jahre alt ist – nimmt er jede Woche an einem Aqua-Gymnastikkurs für Rentner teil und in der Schule wird er ständig gemobbt. Vor allem der fiese Tyler hat es auf ihn abgesehen und lässt keine Gelegenheit aus ihn zu verspotten und zu hänseln. Wilburs Lebensregel lautet daher: Bloß nicht auffallen und irgendwie versuchen, den nächsten Schultag zu überstehen. Die Dinge beginnen sich jedoch zu verändern, als er seine französische Austauschschülerin Charlie kennenlernt – und sich bis über beide Ohren in sie verliebt. Um ihr Herz zu gewinnen, willigt er in ein komplettes Umstyling seines Lebens ein. Ob die Selbstoptimierung erfolgreich sein wird?

Wer schon ein Werk aus der Feder von Susin Nielsen gelesen hat, wird mir sicherlich recht geben, dass sie ein großes Talent dafür besitzt, schwierige und ernste Themen in locker-leichte, urkomische und fesselnde Geschichten zu verpacken und mit Charakteren zu versehen, die vor Authentizität, Vielfalt und Leben nur so sprühen.

Ihr neuer Titel „Die gigantischen Dinge des Lebens“ bildet da zweifellos keine Ausnahme. Die kanadische Autorin hat die schmale Gratwanderung zwischen Ernst und Humor in meinen Augen mal wieder mit Bravour gemeistert und eine Story aufs Papier gezaubert, die superwitzig und tragisch zugleich ist, voller lebensnaher Charaktere, herrlicher Dialoge und Situationskomik steckt und einen von Anfang bis Ende mitreißt.
Also ich habe definitiv das zu lesen bekommen, was ich mir erhofft habe. Susin Nielsen hat mir mit „Die gigantischen Dinge des Lebens“ erneut gezeigt, dass sie zurecht für mich zu den Autor*innen zählt, von denen ich mir ohne zu zögern jedes neue Buch zulegen würde, ohne überhaupt zu wissen, worum es darin eigentlich geht. Ich finde ihren neuen Jugendroman einfach nur perfekt und hoffe sehr, dass er die Aufmerksamkeit und Leserschaft erhalten wird, die er verdient.

Geschildert wird alles aus der Sicht des 14-jährigen Wilbur in der Ich-Perspektive. Wilbur habe ich auf Anhieb in mein Herz geschlossen. Er ist ein unglaublich liebenswerter und einfühlsamer Junge, er ist lustig und klug und äußerst bescheiden und schüchtern, er schreibt leidenschaftlich gerne Gedichte und mag Dinosaurier – man muss Wilbur einfach lieben. Mit ihm hat die Autorin einen großartigen Hauptprotagonisten erschaffen, der einfach so wunderbar echt und authentisch wirkt und in den man sich dank der tollen Darstellungsweise seiner Empfindungen und Gedanken jederzeit spielend leicht hineinfühlen kann. Mir zumindest ist es hervorragend geglückt, mich in unseren Ich-Erzähler hineinzuversetzen. Ich habe beim Lesen richtig mit Wilbur mitgefiebert und mitgefühlt und fand es total schön mitzuerleben, wie er sich im Verlauf des Buches weiterentwickeln wird.

Da Wilbur ein ziemlicher Außenseiter ist und in der Schule von seinen Klassenkameraden oft gehänselt und verspottet wird – vor allem von seinem Mitschüler Tyler wird er ständig übel gemobbt – besitzt er zu Beginn der Geschichte wenig Selbstbewusstsein und versucht sich an der Schule so gut es geht unsichtbar zu machen. Dies wird sich allerdings noch ändern. Wilbur wird an Selbstsicherheit und innerer Stärke gewinnen und endlich den Mut finden, mehr aus sich herauskommen und sich selbst zu vertrauen. Diesen Prozess mitzuverfolgen, hat mich tief berührt, mir ist da ganz warm ums Herz geworden.

Neben Wilbur dürfen wir noch vielen weiteren wundervollen und einzigartigen Charakteren begegnen. Sympathisch sind sie zwar nicht alle (Tyler ist so ein Vollildiot), aber egal ob freundlich oder nicht – sämtliche Figuren wurden erstklassig ausgearbeitet und machen das Leseerlebnis mit ihren verschiedenen Persönlichkeiten und Eigenarten zu einem ganz besonderen und unvergesslichen.

Da hätten wir zum Beispiel die Mumps, Wilburs manchmal ziemlich peinliche, aber herzensgute homosexuelle Mütter, die ihren Sohn über alles lieben; seinen schwulen Freund Alex, der nun schon seit einer ganzen Weile lieber mehr Zeit mit seiner Flamme verbringt als mit Wilbur, der aber immer zu Wilbur hält; seine französische Austauschschülerin Charlie, in die sich unser Protagonist Hals über Kopf verlieben wird; und den alten Sal, Wilburs 85-jähriger Nachbar und allerbester Freund. Sal mochte ich ganz besonders gerne. Er ist einfach so ein cooler Typ und besitzt so eine hinreißend direkte Art. Wie die außergewöhnliche und innige Freundschaft zwischen ihm und Wilbur beschrieben wird, ist unheimlich herzerwärmend, mir haben die gemeinsamen Szenen mit den beiden immerzu ein breites Lächeln aufs Gesicht gezaubert.

Mich hat dieses Buch insgesamt auf eine emotionale Achterbahnfahrt der Gefühle mitgenommen. Es hat mich berührt und nachdenklich gestimmt und öfters sehr mitleiden lassen, es hat mich von Anfang an gepackt und nicht mehr losgelassen und da der Humor von Susin Nielsen komplett meiner ist, habe ich mich an vielen Stellen einfach nur köstlich amüsiert, das Schmunzeln oft gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommen und mich mit jeder weiteren Zeile nur noch mehr in Wilbur und die Geschichte verliebt.

Fazit: Susin Nielsen hat es mal wieder geschafft und mir ein absolutes Highlight beschert. Ich bin total begeistert von „Die gigantischen Dinge des Lebens“. Das Buch erzählt eine so tolle und wertvolle Coming-of-Age-Geschichte über die erste Liebe, Freundschaft, Familie, Diversität, Mobbing, Selbstsvertrauen und das Finden zu sich selbst. Es ist umwerfend komisch und herzergreifend zugleich, es ist warmherzig, tiefgründig, bunt und mitreißend und mit viel Humor, Gefühl und Echtheit geschrieben. Solltet ihr noch nichts von Susin Nielsen gelesen haben, kann ich euch echt nur ans Herz legen, dies unbedingt noch zu ändern! „Die gigantischen Dinge des Lebens“ erhält von mir eine gigantische Leseempfehlung und volle 5 von 5 Sternen!

 

 

 






 

Vielen lieben Dank an den Urachhaus Verlag für das Rezensionsexemplar!


 

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