Dienstag, 5. Oktober 2021

[Rezension] Wie man einen Tiger fängt von Tae Keller

Hardcover
 
Übersetzt von Ilse Rothfuss
Ab 11 Jahren
272 Seiten
ISBN: 9783748800811
Erschienen: 24.08.2021

Klappentext:

Als Lily mit ihrer Familie zu ihrer Halmoni zieht, ihrer kranken Großmutter, taucht auf einmal ein Tiger auf. Ein sprechender Tiger. Ein magischer Tiger. Der Tiger aus Halmonis koreanischen Märchen. Nur Lily kann ihn sehen. Er behauptet, dass Halmoni vor vielen Jahren Geschichten gestohlen und sie in Gläser gesperrt hat. Und er schlägt Lily einen Handel vor: Wenn sie die Geschichten zurückholt, wird ihre Großmutter wieder gesund. Das Angebot klingt verlockend, doch wenn Lily eines weiß, dann, dass man magischen Tigern niemals trauen sollte …

Quelle: Dragonfly Verlag

Rezension:

Bei „Wie man einen Tiger fängt“ stand für mich sehr schnell fest, dass ich das Buch lesen muss. Das Cover, muss ich gestehen, ist jetzt nicht so mein Fall – wäre der Klappentext nicht so überzeugend gewesen, hätte ich vielleicht sogar nicht zu dem Titel gegriffen. Die Geschichte klang aber echt gut und da die Originalausgabe zudem äußerst positive Kritiken erhalten hat, zögerte ich wirklich nicht lang und ließ das Buch bei mir einziehen.

Lily zieht mit ihrer Mutter und ihrer großen Schwester Sam zu ihrer kranken Großmutter in den kleinen Ort Sunbeam. Sie freut sich sehr auf ihre geliebte Halmoni, allerdings ist der Umzug für sie auch mit Sorgen verbunden. Im Gegensatz zu ihrer Schwester tut sich Lily ziemlich schwer damit neue Freunde zu finden. Sie wird einfach ständig übersehen, so als hätte sie magische Kräfte und könnte sich unsichtbar machen.

Während der Fahrt zu der Großmutter wird noch mehr Magie in Lilys Leben treten. Sie sieht auf einmal einen Tiger mitten auf der Straße – einen sprechenden Tiger, der nur für sie sichtbar zu sein scheint. Was hat das bloß zu bedeuten? In den koreanischen Märchen ihrer Halomoni sind Tiger keine freundlichen und vertrauenswürdigen Figuren. Soll sie sich dennoch auf einen Handel mit dem Tiger einlassen? Angeblich kann er ihre Halmoni wieder gesund machen...

Dies war mein erstes Werk aus der Feder von Tae Keller und obwohl es mich nicht vollends überzeugen konnte, wird es garantiert nicht mein letztes gewesen sein. Mir hat das Buch wunderbare Lesestunden bereiten können. In meinen Augen hat Tae Keller mit „Wie man einen Tiger fängt“ einen ganz besonderen Roman geschrieben, in welchem sie auf eine einfühlsame, kindgerechte und etwas ungewöhnliche Weise viele wichtige und teils sehr schwere Themen behandelt.

Krankheit, Tod, Trauer und Verlust, Herkunft, Familie, Freundschaft, Mut und Zusammenhalt, das Erwachsenwerden, Veränderungen und Hilfsbereitschaft – mit diesen Dingen setzt sich die Geschichte unter anderem auseinander. Sie ist aufgrund der schwierigen Themen insgesamt recht ernst und traurig und meinem Empfinden nach zudem auch recht anspruchsvoll. Ich war daher kurzzeitig ein wenig am grübeln, ob ich mich der Altersangabe des Verlags mit ab 11 Jahren anschließen kann. Mittlerweile bin ich aber der Meinung, dass die Empfehlung angemessen ist. Für Kinder ab 11 Jahren, die gerne tiefgründige und nachdenkliche Bücher lesen, ist „Wie man einen Tiger fängt“ meiner Ansicht nach sehr gut geeignet. Ich persönlich würde das Buch allerdings dennoch eher einer etwas älteren Zielgruppe ans Herz legen.

Ich war beim Lesen richtig am Staunen wie viel in diesem Buch steckt. Natürlich habe ich mir schon gedacht, dass es eine sehr tiefgehende Geschichte erzählt, aber dass es so viel vermittelt und so philosophisch ist, hat mich dann doch sehr überrascht. Im positiven Sinne, versteht sich. „Wie man einen Tiger fängt“ ist so ein Buch, das extrem zum Nachdenken anregt, tief berührt und nachklingt. Es bringt uns zudem die koreanische Kultur näher und gewinnt durch das Geschichtenerzählen und den sprechenden Tiger etwas Märchenhaftes und Magisches. Ich muss nur sagen, dass mir die Rolle des Tigers irgendwie nicht so zugesagt hat. Diese Vermischung aus Realität und Fantasie hat mich teils etwas verwirrt. Vielleicht ist es mir auch einfach nicht gelungen mich komplett darauf einzulassen, keine Ahnung, aber ich fand die Einbindung des Tigers ein bisschen merkwürdig.

Ansonsten kann ich mich aber nur lobend zu dem Buch zu äußern. Der wundervolle und fast schon poetische Schreibstil gefiel mir auf Anhieb; für mich hat er sich locker-leicht und flüssig lesen lassen.

Klasse fand ich auch, dass die Kapitel so schön kurz sind. Für mich kam von Beginn an ein angenehmer Lesefluss zustande und da mich die Handlung zudem durchweg packen konnte, habe ich das Buch innerhalb kurzer Zeit beendet.

Die Charaktere haben mir ebenfalls sehr gut gefallen. Sie wurden allesamt realistisch und vielschichtig skizziert und machen das Leseerlebnis mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften zu etwas ganz Besonderem. Da hätten wir zum Beispiel unsere Hauptprotagonistin Lily, aus deren Sicht wir alles in der Ich-Perspektive erfahren. Lily fand ich einfach bezaubernd. Sie ist liebenswert, schüchtern, tapfer und klug – ich habe sie sofort in mein Herz geschlossen und dank der authentischen und anschaulichen Darstellungsweise ihrer Gefühls- und Gedankenwelt habe ich mich, trotz des Altersunterschieds, jederzeit mühelos in sie hineinversetzen können.

Lilys ältere Schwester Sam ist von einem ziemlichen anderen Schlag. Sie ist sehr rebellisch und launisch drauf und im Gegensatz zu Lily fällt es ihr überhaupt nicht schwer Freunde zu finden. Mir war Sam eine längere Zeit nicht so sympathisch, um ehrlich zu sein, aber ich habe ihr Verhalten nachvollziehen und verstehen können und zum Ende hin habe ich sie schließlich doch noch sehr liebgewonnen.
Da ich leider nicht auf alle Figuren eingehen kann, berichte ich euch nun nur noch kurz von Halmoni – der koreanischen Oma von Lily und Sam. Ich fand Halmoni ein wenig eigenartig, aber gemocht habe sie dennoch vom ersten Moment an. Mich hat diese kuriose alte Dame richtig fasziniert.

Das Ende hat mich ebenfalls zufriedenstellen können. Es ist zwar recht traurig, zugleich aber auch sehr herzerwärmend und hoffnungsvoll. Mich hat es tief bewegt, genauso wie das interessante Nachwort der Autorin, in welchem sie uns verrät wie es überhaupt dazu kam, dass sie diese Geschichte geschrieben hat.

Fazit: Ein sehr berührendes und außergewöhnliches Buch über das Abschiednehmen und Loslassen und die Kraft und Magie von Geschichten.

Wie man einen Tiger fängt“ von Tae Keller ist so ein Buch, das ich ganz bestimmt so schnell nicht vergessen werde. Die Geschichte steckt voller bedeutsamer Weisheiten und emotionaler Momente und wird mit viel Sanftheit erzählt, sie ist ergreifend, mystisch, etwas sonderbar und traurig und unterhaltsam zugleich. Ich kann „Wie man einen Tiger fängt“ wärmstens empfehlen und vergebe 4 von 5 Sternen!
 
 
 
 




 
 
Vielen lieben Dank an den Dragonfly Verlag für das Rezensionsexemplar!


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