Montag, 4. Oktober 2021

[Rezension] Der letzte Rabe des Empire von Patrick Hertweck

Hardcover
 
Ab 12 Jahren
480 Seiten
ISBN: 978-3-522-20264-0
Erschienen: 24.08.2021

Klappentext:

Spannender Schmöker über unheimliche Mordfälle im viktorianischen England.
London 1888. Eine Mordserie versetzt die Stadt in Angst und Schrecken. Voller Entsetzen verfolgt Melvin die Ereignisse, denn er kannte jedes einzelne Opfer. Als auch noch das Mädchen getötet wird, das er heimlich liebt, setzt er alles daran, den Mörder aufzuspüren. Noch ahnt er nicht, dass in den dunklen Gassen des East End unheimliche Wesen auf ihn lauern. Und dass ihm ein einbeiniger Rabe auf Schritt und Tritt folgt …

Quelle: Thienemann-Esslinger Verlag

Rezension:

Da mir Patrick Hertweck mit „Tara und Tashnee“ im vergangenen Jahr ein absolutes Highlight bescheren konnte, war ich augenblicklich Feuer und Flamme als ich von seinem neuen Jugendroman hörte. Cover und Klappentext sprachen mich direkt an – für mich stand daher sofort fest, dass ich „Der letzte Rabe des Empire“ unbedingt lesen muss.

London im Jahr 1888: Seit einiger Zeit geht der gefürchtete Mörder Jack the Ripper um und versetzt die Stadt mit seinen rätselhaften Morden in Angst und Schrecken. Der Straßenjunge Melvin verfolgt die Ereignisse mit großen Entsetzen. Merkwürdigerweise kannte er alle bisherigen Opfer. Was hat das zu bedeuten? Wer ist dieser mysteriöse Jack the Ripper? Als schließlich auch noch das Mädchen getötet wird, für das Melvin heimlich schwärmt, fasst er sofort den Entschluss den Mörder aufzuspüren. Eine gefährliche Suche durch die dunklen Gassen Londons beginnt. Wird sie erfolgreich sein?

Dies war also mein zweites Werk aus der Feder von Patrick Hertweck und auch mit diesem habe eine tolle Lesezeit verbracht. Ich muss zwar sagen, dass meine Erwartungen dieses Mal nicht gänzlich erfüllt werden konnten – das von mir erhoffte Highlight wurde das Buch leider nicht – aber begeistert bin ich dennoch. In meinen Augen ist Patrick Hertweck mit „Der letzte Rabe des Empire“ ein weiterer wundervoller historischer Abenteuerroman geglückt, in welchem er gekonnt Realität und Fiktion miteinander verknüpft. Mir hat es erneut unheimlich gut gefallen wie der deutsche Autor geschichtliche Ereignisse mit einer völlig eigenen, sehr kreativen Story verflochten hat und das er dem Ganzen zusätzlich noch einen magischen Touch verliehen hat, hat mir ebenfalls total zugesagt. Bis auf zwei Punkte, mit denen ich nicht ganz so happy bin, kann ich mich wirklich nur positiv zu dem Buch äußern.

Dann komme ich als nächstes mal zu meiner negativen Kritik.

Da wäre zum einen die Erzählweise, die mir bedauerlicherweise ein wenig den Einstieg erschwert hat. Die Geschichte wird aus mehreren Blickwinkeln im Wechsel erzählt, jeweils in der dritten Person, und normalerweise liebe so eine Erzählform. Hier aber waren mir die vielen Perspektiv- und Szenenwechsel zunächst etwas zu viel des Guten. Die Kapitel sind extrem kurz gehalten und springen wirklich ziemlich oft hin und her. Ich habe da leider ein Weilchen gebraucht, bis ich bezüglich der verschiedenen Figuren und Handlungsstränge den kompletten Durchblick hatte. Nachdem ich mich aber einmal reingefuchst hatte, hatte ich zum Glück keine Schwierigkeiten mehr mit den ständigen Wechseln.
Mein zweiter Aspekt bezieht sich auf die Handlung. Mir persönlich wurde sie stellenweise etwas zu ausschweifend und detailliert erzählt, sodass sie ein paar Längen für mich hatte. Insgesamt kann die Story zwar mit jeder Menge Spannung und zahlreichen unvorhersehbaren Wendungen aufwarten, aber durchgehend an die Seiten fesseln konnte sie mich irgendwie dennoch nicht.

Das war‘s dann aber auch schon mit dem Meckern. Kommen wir nun zu den Dingen, mit denen mich der Autor begeistern konnte.

Womit er mich eindeutig vom ersten Moment an völlig auf seiner Seite hatte, ist das Setting. In Bücher, die uns Leser*innen ins viktorianische England mitnehmen, tauche ich immer wahnsinnig gerne ein. Ich liebe diese Kulisse einfach. Meine Freude war daher groß als ich las, dass uns Patrick Hertwecks neues Buch in das neblige London Ende des 19. Jahrhunderts entführen wird. Ich bin settingmäßig dann auch ganz auf meine Kosten gekommen. Die Atmosphäre ist von Beginn an so herrlich düster und geheimnisvoll, mich konnte sie sofort in ihren Bann und verzaubern. Und von den verschiedenen Orten hatte ich dank der bildhaften Beschreibungen das reinste Kopfkino. Man spürt beim Lesen wirklich nur zu gut wie viel Mühe sich der Autor bei seiner Recherche gegeben hat, um die Schauplätze und Lebensumstände der damaligen Epoche möglichst realistisch und anschaulich wiederzugeben. So wird mehr als deutlich wie schwer es die ärmere Gesellschaft damals hatte. Die Straßen des viktorianisches Londons waren ein sehr unsicheres und gefährliches Pflaster – viele mussten hart ums Überleben kämpfen wie beispielsweise Waisenkinder. Meiner Ansicht nach stellt Patrick Hertweck das Ganze aber nicht zu heftig und finster dar. Vom Verlag wird das Buch ab 12 Jahren empfohlen und dem schließe ich mich auf jeden Fall an.

Mit der Ausarbeitung der Charaktere konnte mich der Autor ebenfalls überzeugen. Wir bekommen es mit vielen äußerst interessanten und außergewöhnlichen Personen zu tun und egal ob Gut oder Böse – allesamt wurden sie hervorragend gezeichnet.

Besonders liebgewonnen habe ich den Straßenjungen Melvin, den ich als den eigentlichen Hauptprotagonisten bezeichnen würde. Melvin ist stark, mutig, tough und clever – ich mochte ihn auf Anhieb und habe ich ihn für seine große Stärke und Tapferkeit sehr bewundert.

Was den Plot angeht, habe ich euch weiter oben ja bereits berichtet, dass die Verknüpfung aus realen Fakten und eigenen Ideen absolut bei mir punkten konnte. Da mich der berüchtigte Serienmörder Jack the Ripper irgendwie schon immer sehr fasziniert hat, hat es mich überaus gefreut, dass Patrick Hertweck ihn in seinem neuen Roman eingebaut und eine ganz individuelle und höchst originelle Version von Jack the Ripper aufs Papier gebracht hat. Genial dabei fand ich auch, dass er die Geschichte mit wohl dosierten Gruselelementen gewürzt hat, die zum Erschaudern einladen sowie einer Portion an Mystik. So treiben beispielsweise Werwölfe und Untote ihr Unwesen zwischen den Buchseiten.

Auch mit dem Aspekt, dass wir Leser*innen anfangs mit einer Vielzahl an Puzzleteilen konfrontiert werden und man zunächst keinen Plan hat, wie sie wohl ineinanderpassen, damit sie ein stimmiges Gesamtbild ergeben, konnte mich der Autor in helle Verzückung versetzen. Ich bin da so richtig ins Mitfiebern und Mitraten geraten und wurden von so einigen Enthüllungen äußerst überrascht.

Fazit: Packend, schaurig, atmosphärisch. Ein spannender und magischer Abenteuerschmöker voller Geheimnisse, Düsterkeit und Überraschungen!

Mir hat Patrick Hertweck mit „Der letzte Rabe des Empire“ wunderbare Lesestunden bereiten können. Vollends überzeugen konnte er mich dieses Mal zwar nicht, aber begeistert von dem Buch dennoch und ich kann es jedem, der gerne in mystische und historische Fantasygeschichten eintaucht und das Setting viktorianisches England liebt, nur ans Herz legen. Von mir gibt es sehr gute 4 von 5 Sternen!
 
 



 


 
Vielen lieben Dank an den Thienemann-Esslinger Verlag für das Rezensionsexemplar!

 

 


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