Samstag, 1. Juni 2024

[Rezension] Hat irgendjemand Oscar gesehen? von Leslie Connor

Hardcover
Übersetzt von André Mumot
Ab 10 Jahren
320 Seiten
ISBN: 978-3-446-27921-6
Erschienen: 19.02.2024

Klappentext:

Aurora mag Edelsteine – und Oscar, ihren besten Freund. Oscar mag Vögel – und Aurora, auch wenn er ihr das nicht sagen kann. Denn Oscar spricht nicht, jedenfalls nicht mit Worten. Im Gegensatz zu Aurora, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Doch eines Tages verschwindet Oscar spurlos. Nicht nur Aurora begibt sich sofort auf die Suche nach ihm: Vom Betreuungslehrer bis zur Flohmarktverkäuferin, von der patenten Softball-Trainerin bis zum grummeligen Farmer – alle stehen zusammen und machen sich auf, den Jungen wohlbehalten wiederzufinden. Am Ende kann Oscar mit vereinten Kräften aufgespürt werden – und als Leser:in wünscht man sich, auch an einem Ort wie diesem zu leben und eine Familie und Freund:innen wie Aurora und Oscar zu haben!

Quelle: Hanser Verlag

Rezension:

Die 11-jährige Aurora lebt mit ihren Eltern im ländlichen Maine in einem Haus direkt am Wald. Sie ist ein sehr lebhaftes, lautes und impulsives Kind, hat stets einen frechen Spruch auf Lager und muss immer in Bewegung sein. Sie mag Edelsteine, die Natur – und Oscar, ihren besten Freund, der im Nachbarhaus wohnt. Oscar ist ebenfalls elf Jahre alt, er liebt Vögel und Vertrautes und hat noch nie ein Wort mit Aurora gesprochen. Oscar spricht nicht und lebt komplett in seiner eigenen Welt. Die beiden Kinder könnten unterschiedlicher kaum sein, bilden aber ein perfektes Team und sind unzertrennlich. Zu Oscar hatte Aurora sofort einen besonderen Draht. Dank ihrer Beobachtungs- und Einfühlungsgabe kann sie Oscars Verhalten lesen und weiß immer, was er will, sie ist sein Sprachrohr und seine Beschützerin. Bisher waren sie immer in derselben Klasse, aber zu Beginn des sechsten Schuljahres werden sie in verschiedene Klassen eingeteilt. Trotz dieser Veränderung läuft erst einmal alles gut, doch dann ist Aurora eines Tages abgelenkt und achtet nicht darauf, dass Oscar in sein Klassenzimmer geht. Plötzlich ist Oscar spurlos verschwunden und Aurora beginnt sich große Vorwürfe zu machen. Hätte sie besser auf ihren Freund aufpassen müssen? Sie begibt sich sofort auf die Suche nach Oscar – und nicht nur sie: Es dauert nicht lange und der ganze Ort setzt alles daran, um den vermissten Jungen wiederzufinden.

Da mir „Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)“ von Leslie Connor so gut gefallen hat, habe ich mich auf ihr neues Werk „Hat irgendjemand Oscar gesehen?“ sehr gefreut. Und ich wurde nicht enttäuscht! Hinter dem schönen Cover mit dem etwas ungewöhnlichen Titel verbirgt sich eine ebenso eindrucksvolle Geschichte, die hält, was sie verspricht.

Schon die Art und Weise wie das Buch aufgebaut wird, ist außergewöhnlich. Beginnen tut die Handlung in der Jetzt-Zeit und springt im weiteren Verlauf immer wieder in der Vergangenheit hin und her. So wird von Aurora mal erzählt, wie sie in die erste Klasse kommt oder von dem Tag, an dem sie Oscar kennenlernt. Hauptsächlich ist es Aurora, die uns in der Ich-Perspektive von den Ereignissen berichtet, es gibt zwischendurch aber auch Kapitel, in denen ein allwissender Erzähler die Sicht von Oscar und einiger Stadtbewohner*innen schildert. Trotz der vielen Zeitsprünge und Perspektivwechsel wirkt der Roman nicht durcheinander oder zusammenhanglos, allerdings muss man sich an den Erzählstil erst einmal gewöhnen.

Mir hat der gesamte Aufbau der Handlung sehr gefallen. Durch die Rückblenden erhält man einen tollen Eindruck von der Entstehung der Freundschaft zwischen Aurora und Oscar und die verschiedenen Blickwinkel verleihen dem Ganzen mehr Spannung und Tiefe. Manchmal muss man jedoch auch ein wenig Geduld beim Lesen haben. Einiges wird sehr genau und für meinen Geschmack zu ausführlich beschrieben wie die Natur, das Softballspiel oder die Pausen in der Schule. Die Geschichte liest sich dadurch stellenweise etwas zäh und langatmig, vor allem jungen Leser*innen ab 10 Jahren könnte es bisweilen schwerfallen, am Ball zu bleiben.

Auch wenn das Buch ein paar Längen für mich hatte, habe ich es innerhalb kurzer Zeit gelesen. Die Suche nach Oscar lässt einen mitfiebern und auch Oscars Kapitel und seine Gedankengänge sind spannend und interessant. Sofern ich das beurteilen kann, wird das Denken eines autistischen Jungen sehr authentisch dargestellt. Einfühlsam und voller Wärme beschreibt die Autorin Oscars Charakter und seine Andersartigkeit sowie die besondere Verbindung, die er zu der gleichaltrigen Aurora hat. Aurora ist ebenfalls eine einzigartige Figur und wunderbar getroffen. Sie ist impulsiv, immer in Bewegung und wirkt auf andere zuweilen unbedarft und vorlaut. Sie sagt stets das, was sie denkt, trägt das Herz aber am rechten Fleck und schleicht sich sofort in die Herzen von uns Leser*innen.

Im Anhang gibt es noch ein paar Fotos und Anmerkungen der Autorin, wie der Roman entstanden ist. Vorne im Buch befindet sich wiederum eine detaillierte Landkarte des Schauplatzes, dank der man das Setting noch besser nachvollziehen kann.

Fazit: „Hat irgendjemand Oscar gesehen?“ ist eine herzerwärmende Wohlfühlgeschichte über Neurodiversität, Gemeinschaft und eine ganz besondere Freundschaft zwischen dem ruhigsten und dem lebhaftesten Kind. Berührend, humorvoll, vielschichtig. Ein wundervolles und wichtiges Buch, nicht nur für junge Leser*innen ab 10 Jahren. Mir hat auch mein zweites Werk von Leslie Connor sehr viel Freude bereitet, ich kann es nur empfehlen. Von mir gibt es sehr gute 4 von 5 Sternen!

 





 

Vielen lieben Dank an den Hanser Verlag für das Rezensionsexemplar!

 

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